top of page

Schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit autistischen Verhaltensweisen (3)

Prinzipien der frühen Förderung

Gerade die frühen Jahre im Leben eines Kindes verlangen eine ganzheitliche Sichtweise, die sowohl die Stärken und Vorlieben des Kindes als auch dessen Schwierigkeiten und die als belastend erlebten Verhaltensweisen in den Förder- und Entwicklungsprozess einbezieht. Ein zentraler Unterschied in der Entwicklung von Kindern mit autistischen Verhaltensweisen gegenüber der "normalen" Entwicklung ist, dass Entwicklungsreize wesentlich stärker von außen initiiert und verstärkt werden müssen. Die autistischen Verhaltensweisen bewirken oft ein Verhaftetsein und Beharren an vertrauten, gewohnten Abläufen und Situationen und erschweren die Öffnung gegenüber Neuem.


Die Förderung von Kindern mit autistischen Verhaltensweisen muss u.a. darauf ausgerichtet sein, gezielt Fähigkeiten und Fertigkeiten zu trainieren und zu erweitern. Hierzu gehören beispielsweise

  • Neugierverhalten

  • Ausbildung von Interessen

  • Motivation

  • konstruktive Auseinandersetzung mit der sächlichen und personalen Welt


Auch wenn das autistische Kind intensive Unterstützung benötigt, gestaltet es doch seine Entwicklung eigenständig mit. Das Kind provoziert mit seiner eingeschränkten Initiative verstärkte Aktivitäten der Erwachsenen und es bedarf großen Einfühlungsvermögens, das Kind nicht zum zu behandelnden Objekt werden zu lassen.


Grundprinzip der Förderung ist daher, eine positive Beziehung herzustellen, die feinfühlig die Initiativen des Kindes zur Interaktion mit Personen und Dingen aufgreift und in einen Dialog einbindet. Sowohl die persönlich verlässliche Beziehung, als auch die anregenden, ritualisierten Formen des gemeinsamen Agierens sind entscheidende Kriterien für die Förderung.


Für den Umgang mit solchen Kindern bedeutet dies,

  • auf das Kind zuzugehen

  • dessen Kommunikations- und Mitteilungsformen zu beachten, aufzugreifen und zu variieren

  • verlässliche Strukturen und Regeln zu schaffen

  • Variationen in die Angebote einfließen zu lassen

  • dem Kind die Welt (be-)greifbar und erfahrbar zu machen

  • Impulse oder Handlungen des Kindes aufzugreifen, weiterzuentwickeln und zu unterstützen, diese erfolgreich abzuschließen und sie dadurch in sein Handlungsrepertoire zu integrieren


Die Rolle der Eltern, Pädagogen und Therapeuten in diesen Prozessen ist vergleichbar mit der eines "Fremdenführers". Er versucht den Kindern mit autistischen Verhaltensweisen die Welt näher zu bringen, verstehbar zu machen, ihnen einen Zugang zu eröffnen. Diese Kinder lernen von ihm zunächst ganz konkret und spürbar die Welt zu (be-)greifen. Der "Fremdenführer" verdeutlicht z.B. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und komplexe Sachverhalte, erklärt Situationen, vermittelt Grundkenntnisse in den unterschiedlichsten Bereichen, um die Kinder zu kompetenten Akteuren werden zu lassen. Dies gelingt nur, wenn er sich auch auf deren Bedürfnisse einlässt.


In der Arbeit mit Kindern, die autistische Verhaltensweisen aufweisen, haben sich einige Grundsätze als förderlich erwiesen.


Hilfreich sind dabei vor allem:

  • Wochen- und Tagesabläufe zeitlich klar strukturieren

  • Veränderungen im Tages- oder Arbeitsablauf erklären und nach Möglichkeit frühzeitig ankündigen

  • Handlungs- und Arbeitsabläufe sowie Arbeits- und Erholungsphasen planen und klar strukturieren

  • Beginn und Ende von Handlungen durch Signale eindeutig kennzeichnen

  • Wiederholungen in lebenspraktischen Zusammenhängen herbeiführen, um Handlungsabläufe bis hin zu komplexen Situationen des Lebensalltags einzuüben und zu automatisieren

  • Konsequentes erzieherisches Verhalten im Hinblick auf das Einhalten von Regeln und Vereinbarungen

  • Doppeldeutige und unklare Bemerkungen vermeiden zugunsten einer eindeutigen Kommunikation

  • Klar und deutlich Erfolge melden, durch Lob ermutigen, auch wenn dies scheinbar nicht zur Kenntnis genommen wird.

  • Individuelle Lernwege akzeptieren


Klärung des Förderbedarfs

Die Erhebung und Klärung des individuellen Förderbedarfs ist Entscheidungsgrundlage dafür, wie die optimale Lernumgebung für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler beschaffen sein muss. Unter Berücksichtigung der pädagogischen Ausgangslage erfasst eine sonderpädagogische Diagnostik die Lebenssituation der Kinder, sowie deren intellektuellen, sozialen, emotionalen, motivationalen, sensorischen und motorischen Entwicklungsstand. Dieses wird bei Kindern und Jugendlichen mit autistischen Verhaltensweisen erschwert durch syndrombedingte spezifische Störungen der

  • Kommunikation

  • Handlungsfähigkeit

  • Abrufbarkeit von Wissen und Können

und führt oft zu Fehleinschätzungen.


Unter Berücksichtigung der Diagnoseergebnisse anderer Fachdisziplinen wird der Förderbedarf durch freie und gebundene Langzeitbeobachtung unter Mitwirkung aller an der Erziehung des Kindes Beteiligten erhoben.


Für die schulische Förderung bedeutsame Informationen beziehen sich auf:

  • Lebensbedingungen/Lebensumfeld

  • Lerngeschichte

  • schulisches Umfeld

  • körperliche und gesundheitliche Gegebenheiten

  • Kommunikationsfähigkeit

  • Wahrnehmungsleistungen

  • Ausdrucksmöglichkeiten

  • motorische Fähigkeiten

  • Planungs- und Handlungskompetenz

  • lebenspraktische Fähigkeiten

  • Lern- und Leistungsverhalten

  • Arbeitsverhalten

  • Selbstständigkeit

  • Selbstkontrolle

  • emotionale Befindlichkeit

  • Interessen

  • Verhalten in der Gruppe

  • Belastbarkeit durch die Gruppe

  • Anpassungsfähigkeit an Personen und verschiedene Rahmenbedingungen


Förderbedürfnisse bzw. -ansätze sollten anhand konkreter Lern- und Handlungssituationen ausgedrückt werden. Da mangelnde Kommunikations- und Handlungsfähigkeit häufig zu Fehleinschätzungen führen, sind alternative und kompensatorische Methoden in die Förderplanung mit einzubeziehen. Die Klärung des individuellen Förderbedarfs kann ergeben, dass zur Beschulung der Kinder mit autistischen Verhaltensweisen in geeigneter Lernumgebung unterschiedliche zusätzliche Maßnahmen notwendig sind.


Dies können sein:

  • Beratung und Begleitung durch fachkompetentes Personal

  • besondere Rahmenbedingungen und Unterstützungsmaßnahmen in Unterricht und Umfeld

  • zusätzliche Maßnahmen außerschulischer Kostenträger (außerschulisches Personal, Eingliederungshilfe,...)

  • unterschiedliche Formen der Kooperation und sonderpädagogischer Hilfe


Alle Entscheidungen über den individuellen Förderbedarf erfordern eine Überprüfung und Fortschreibung in regelmäßigen Abständen.

bottom of page