Wirkung & Wirksamkeit
- Patrick Sauter
- 12. Apr.
- 15 Min. Lesezeit
Überschrift
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist das Recht der Eingliederungshilfe weitreichend reformiert worden mit dem Ziel, die Lebenssi tuation von Menschen mit Behinderungen durch mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und mehr Selbstbestimmung zu verbessern. Die neuen Regelungen zum Gesamtplanverfahren in Teil 2 des SGB IX sollen sicherstellen, dass die personenzentriert neu ausgerichteten Leistungen der Eingliederungshilfe passgenau und bedarfsdeckend erbracht werden. Die Leistungen für Menschen mit Behinderungen sind dabei unter besonderer Berücksichtigung der in den §§ 1 und 4 SGB IX genannten Ziele der Förderung der Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sicherzustellen.
Neben der personenzentrierten Neuausrichtung der Eingliederungshilfe durch das BTHG ist auch die Wirkungsorientierung in der Eingliederungshilfe gestärkt worden. Die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit werden erstmals im Kontext der Eingliederungshilfe im SGB IX gesetzlich verankert. In den Regelungen zum Gesamtplanverfahren ist eine Wirkungskontrolle vorgesehen. Im Vertragsrecht der Eingliederungshilfe in Teil 2 des SGB IX ist vorgesehen, dass die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer Vereinbarungen bezüglich der Wirksamkeit von Leistungen in den Landesrahmenverträgen sowie den Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen treffen.
Zudem wurde im SGB IX ein gesetzliches Prüfrecht der Träger der Eingliederungshilfe hinsichtlich der Qualität einschließlich der Wirksamkeit von vereinbarten Leistungen der Eingliederungshilfe eingeführt. Neben dem in der Eingliederungshilfe anzuwendenden Gesamtplanverfahren sollen die Qualitätsprüfungen die Steuerungskompetenz der Träger der Eingliederungshilfe erhöhen und so zu einer effizienteren Leistungsgewährung in der Eingliederungshilfe und damit einem nachhaltigen Einsatz der Ressourcen in der Eingliederungshilfe führen.
Bei den Begriffen Wirkung und Wirksamkeit handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Sie wurden gesetzlich weder definiert noch konkretisiert. Auch Verfahren, Maßstäbe und Kriterien für die Beurteilung der Wirksamkeit wurden nicht formuliert. Bislang fehlt es ebenso an einer gelebten Praxis im Kontext der Eingliederungshilfe. Die Erarbeitung geeigneter Methoden, Indikatoren und Instrumente im Hinblick auf die Prüfung der Wirkung im Gesamtplanverfahren als auch in Bezug auf die Wirksamkeit von Leistungen sowie deren Überprüfung obliegt damit den jeweiligen Vertragspartnern.
Entwicklung von Maßstäben für die Wirksamkeit als auch die Festlegung von Indikatoren und Erhebungsinstrumenten stellen die Vertragsparteien – gerade angesichts weitgehend fehlender wissenschaftlicher Untersuchungen – vor eine anspruchsvolle Aufgabe.
Im Hinblick auf Qualitätsprüfungen nach § 128 SGB IX, die auch die Überprüfung der Wirksamkeit von erbrachten Teilhabeleistungen umfassen, spricht sich der Deutsche Verein dafür aus, diese Prüfungen auch nach der Neuregelung durch das BTHG in einem partnerschaftlichen, dialogischen und qualitätsorientierten Prozess zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Leistungserbringern durchzuführen. Den Qualitätsprüfungen sollte insbesondere der Leitgedanke eines kooperativen Qualitätsmanagements zugrunde gelegt werden. In Bezug auf die Wirksamkeit knüpft dieses Qualitätsmanagement an den Vereinbarungen an, in denen die Leistungsträger und Leistungserbringer sich „auf die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Quali tätsprüfungen“ verständigen (§ 131 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX).
Gesetzliche Grundlagen
Die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit wurden durch das BTHG an zentralen Stellen im Leistungsrecht und im neuen Vertragsrecht der Eingliederungshilfe des SGB IX gesetzlich verankert. Der Begriff Wirkung wird im Kontext der Wirkungskontrolle im Kapitel 7 über die Gesamtplanung zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigtem verwendet. Der Begriff Wirksamkeit ist im Kapitel 8 über das Vertragsrecht zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer verortet, wird darüber hinaus aber auch an anderen Stellen im SGB IX verwendet.
Leistungsrecht: Wirkung und Wirkungskontrolle im Kontext der Gesamtplanung
Der Begriff Wirkung wird im Zusammenhang der Gesamtplanung zwischen Leistungsträgern und Leistungsberechtigten auf der individuellen Ebene verwendet, wo es um die Ermittlung und Konkretisierung des individuellen Teilhabebedarfs und um die Überprüfung der Erreichung der vereinbarten Ziele geht. Im Rahmen der Bedarfsermittlung nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX werden Ziele formuliert, die mit den Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen. Im Gesamtplan sind erreichbare und überprüfbare Teilhabeziele und deren Fortschreibung zu dokumentieren, vgl. § 121 i.V.m. § 19 SGB IX. Der Gesamtplan dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses, vgl. § 121 SGB IX. Nach § 121 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX sind im Gesamtplan neben den Inhalten von § 19 SGB IX die Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts (spätestens alle zwei Jahre) festzuhalten. Mit der regelmäßigen Überprüfung des Gesamtplans einschließlich der Wirkungskontrolle soll sichergestellt werden, dass auf veränderte Bedarfe, Wünsche und Teilhabeziele der Leistungsberechtigten zeitnah und flexibel reagiert werden kann.
Vertragsrecht: Wirksamkeit im Kontext des Leistungserbringungsrechts des SGB IX
Der Begriff Wirksamkeit findet sich insbesondere in den Regelungen des neuen Vertragsrechts in den §§ 123–134 SGB IX wieder. In den zwischen Leistungserbringern und Trägern der Eingliederungshilfe zu schließenden Leistungsvereinbarungen sind gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe festzulegen. In den zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Vereinigungen der Leistungserbringer auf Landesebene zu schließenden Landesrahmenverträgen sind nach § 131 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB IX die notwendigen Kriterien zu den Grundsätzen und Maßstäben für die Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen zu regeln, welche als Grundlage für die Leistungsvereinbarungen verbindlich sind. In der Gesetzesbegründung zum BTHG wird darauf hingewiesen, dass die Qualität der Leistungen auch die Wirksamkeit umfassen soll. Eine weitergehende Konkretisierung in Bezug auf die Begriffe Qualität und Wirksamkeit folgt nicht.
Die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer müssen sich damit im Rahmen der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung über die Qualität einschließlich der Wirksamkeit von Leistungen im Vorfeld (prospektiv) der Leistungserbringung verständigen. Dies setzt wiederum ein gemeinsames Verständnis zu Qualität und Qualitätsmaßstäben sowie in Bezug auf den Begriff Wirksamkeit der zu erbringenden Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses voraus. Als besondere Herausforderung ist damit verbunden, dass es neben einer fehlenden gesetzlichen Definition bisher auch keine allgemeingültigen Kriterien für den Nachweis der Wirksamkeit von Leistungen der Eingliederungshilfe gibt. Bestandteil der Leistungsvereinbarung sind die konzeptionelle Ausgestaltung des Leistungsangebots (Maßnahmen, Methoden, Arbeitsweisen etc.), die (infra-)strukturelle Ausgestaltung und Ausstattung des Leistungsangebots (Personal, sächliche Ausstattung etc.) sowie die Ausgestaltung gemeinsamer Prozesse und gegenseitiger Informationsversorgung (Aufnahmeprozesse, Abrechnung, Berichtswesen etc.) und deren Abwicklung als Ganzes. Dabei können insbesondere nur solche Faktoren im Vorfeld vereinbart werden, auf die die Vertragspartner im Rahmen ihrer Vereinbarung auch Einfluss haben. Der Leistungserbringer schafft insoweit mit der Erbringung der vereinbarten Dienstleistungen die notwendigen strukturellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, damit die im Gesamtplanverfahren – zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigten – vereinbarten (Teilhabe-)Ziele erreicht werden können. Die Vereinbarungspartner schaffen zudem mit der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung die entscheidende Grundlage zur Erbringung der vereinbarten und bewilligten Leistungen. Die tatsächliche Erfüllung der Ziele bzw. bestimmte Ergebnisse können jedoch nicht sinnvoll Bestandteil der Verträge bzw. Vereinbarungen sein.
Prüfrecht nach § 128 SGB IX
Anstelle der nach dem bisherigen Vertragsrecht des SGB XII zusätzlich abzuschließenden Prüfungsvereinbarung und des damit verbundenen Prüfrechts der Leistungsträger wurde durch das BTHG in § 128 SGB IX ein gesetzliches Prüfrecht bezüglich der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen aus besonderem Anlass für die Träger der Eingliederungshilfe eingeführt. Die Überprüfung der Wirksamkeit wurde ergänzend auch in das Verfahren zur Prüfung der Qualität aufgenommen. Ziel des Gesetzgebers im Hinblick auf das gesetzliche Prüfrecht ist es, eine effektivere Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung zu ermöglichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung des BTHG „soll sichergestellt werden, dass die finanziellen Mittel nur für den vorgesehenen Zweck eingesetzt werden und der Leistungserbringer seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten erfüllt“. Vorgesehen sind nach § 128 Abs. 1 SGB IX grundsätzlich nur anlassbezogene Prüfungen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistung. Danach müssen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Leistungserbringer seine gesetzlichen und/oder vertraglichen Pflichten nicht einhält. Allerdings kann nach Landesrecht vom Vorhandensein eines Anlasses als Prüfungsgrund abgesehen werden, sodass auch anlassunabhängige Prüfungen möglich sind (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 7 SGB IX). Von dieser Möglichkeit haben fast alle Bundesländer Gebrauch gemacht, jedoch mit unterschiedlichem Grad des Befolgungsanspruchs. In einigen Ländern sind die Träger der Eingliederungshilfe danach verpflichtet, zusätzlich zu anlassbezogenen Prüfungen auch anlasslose Prüfungen vorzunehmen, in anderen Ländern wurde den Trägern der Eingliederungshilfe hierfür ein Ermessensspielraum eingeräumt.
Neu geregelt ist in Ergänzung des neuen gesetzlichen Prüfrechts zudem in § 129 SGB IX die rückwirkende Vergütungskürzung. Nach § 129 SGB IX ist die Vergütung zu kürzen, wenn im Rahmen der Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung festgestellt wird, dass vertragliche oder gesetzliche Leistungspflichten nicht eingehalten werden. Die Regelung soll der gezielten Überprüfung und Steuerung der Qualität der Leistung im Interesse der Leistungsberechtigten dienen. Voraussetzung für die Anwendung des § 129 SGB IX ist ein hinreichend klar definierter Leistungsrahmen. Maßgeblich hierfür sind die vereinbarte Leistung und die vereinbarten Leistungsmerkmale entsprechend des § 125 Abs. 2 SGB IX. Nur dann kann beurteilt werden, ob die Leistung wie vereinbart erbracht wurde.
Vorgaben zu Qualität und Wirksamkeit in den Landesrahmenverträgen
In den Landesrahmenverträgen werden Maßstäbe der Qualität erläutert. Dabei wird Qualität in allen Landesrahmenverträgen in den drei Dimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterschieden und in unterschiedlicher Intensität beschrieben. Zudem wurden wesentliche Kriterien für die Darstellung der Qualität in fast allen Ländern beispielhaft („insbesondere“), aber nicht abschließend vereinbart.
Im Hinblick auf die intendierte Personenzentrierung des BTHG ist eine wichtige Frage, wie der neu hinzugetretene unbestimmte Rechtsbegriff der Wirksamkeit bestimmt wird, da insbesondere wirksame Leistungen erbracht werden sollen. In den Landesrahmenverträgen ist bisher noch kein einheitliches Begriffsverständnis der Wirksamkeit erkennbar und teilweise wird auch dort Bedarf zur Weiterentwicklung festgestellt.
In mehreren Landesrahmenverträgen wird der Begriff Wirksamkeit mit der Ergebnisqualität gleichgesetzt.
Überwiegend werden in den Landesrahmenverträgen Wirkung (personenbezogen) und Wirksamkeit (institutionell) bzw. personen- und angebotsbezogene Ergebnisqualität voneinander abgegrenzt. In einigen Landesrahmenverträgen wird eine Verbindung zwischen individueller und institutioneller Ebene, d.h. zwischen dem Wirkungs- und Wirksamkeitsbegriff, hergestellt. So soll die Wirksamkeit der Leistung u.a. anhand der Dokumentation der Zielerreichung in Form von sogenannten Qualitätssicherungsberichten über einen bestimmten Zeitraum erhoben werden.
Im Hinblick auf die Wirksamkeit bzw. Ergebnisqualität formulieren einige Landesrahmenverträge bereits umfassende und zum Teil unterschiedliche Vorgaben. Zum Teil wird von der Wirksamkeit der Leistungen ausgegangen, wenn diese Leistungen im Hinblick auf die individuellen Teilhabeziele auf Basis des jeweiligen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse erbracht werden. Teilweise wird die Wirksamkeit daran geknüpft, dass die vereinbarte Struktur- und Prozessqualität vorgehalten wird und die vereinbarten Teilhabeleistungen gemäß den vereinbarten Standards durchgeführt werden oder Leistungen im Hinblick auf Struktur-, Prozess-, und Ergebnisqualität entsprechend geeignet sind, die Teilhabeziele im Einzelfall zu erreichen.18 Teilweise soll auch der Grad der Zielerreichung der Leistungserbringung als Kriterium bei der Beurteilung der Ergebnisqualität einbezogen werden. In fast allen Landesrahmenverträgen soll die Zufriedenheit der/des Leistungsberechtigten als Kriterium der Ergebnisqualität berücksichtigt werden. Wie diese erhoben werden soll, wird nur teilweise vorgegeben. Vor dem Hintergrund dieser neuen Vorgaben in den Landesrahmenverträgen stehen Leistungsträger und Leistungserbringer vor der anspruchsvollen Aufgabe, die künftigen Leistungsvereinbarungen insbesondere mit Blick auf die zu erreichenden Teilhabeziele ausführlicher, individueller und konkreter zu gestalten.
Gemeinsame Begriffsdefinitionen
Bei den durch das BTHG neu eingeführten Begriffen der Wirkung und Wirksamkeit handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Weder im Gesetz selbst noch in der Begründung zum BTHG wird vorgegeben, wann und unter welchen Voraussetzungen Leistungen der Eingliederungshilfe als „wirksam“ zu qualifizieren sind. Insbesondere wird auch nicht erläutert, wie und nach welchen Kriterien die Wirkung und die Wirksamkeit von Leistungen festgestellt werden sollen. Für den weiteren Entwicklungsprozess und die Erarbeitung und Anwendung wirkungsorientierter Vereinbarungen ist es daher notwendig, eine inhaltliche Verständigung über die Bedeutung der Begriffe Wirkung und Wirksamkeit zu erzielen.
Verhältnis von Wirkung und Wirksamkeit
Die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit werden im Kontext des BTHG auf unterschiedlichen Ebenen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis verwendet und sind in ihrer Bedeutung voneinander zu unterscheiden.
Der Begriff „Wirkung“ und auch die Wirkungskontrolle als Bestandteil des Gesamtplanverfahrens (ggf. auch des Teilhabeplanverfahrens) betreffen im Leistungsdreieck das Verhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Leistungsträgern. Wirkung bezieht sich auf die Individualebene und auf die konkreten individuellen Leistungen bei den Leistungsberechtigten. Hier stehen die leistungsberechtigte Person und ihre Ansprüche auf Leistungen im Mittelpunkt. Im Zentrum der Gesamtplanung steht die personenzentrierte Ermittlung des Bedarfs und die Feststellung der Leistungen, die den Bedarf decken sollen unter Beteiligung der Leistungsberechtigten und Berücksichtigung ihrer Wünsche. Die Überprüfung der Wirkung erfolgt ausschließlich im Hinblick auf das Individuum und die vereinbarten Ziele im Gesamtplan, sie ermöglicht damit eine Anpassung der Leistungen im Einzelfall.
Wirkung
Die Frage, wie Wirkungen von sozialen Dienstleistungen nachgewiesen werden können, ist Gegenstand verschiedener Diskurse in der Sozialen Arbeit. Im Gegensatz zu einfachen Konstellationen zwischen Leistung und Wirkung, ist die Leistungserbringung in der Sozialen Arbeit multidimensional und auch vom Mitwirken der Zielgruppe abhängig. Deshalb wird insbesondere die Frage der Beweisbarkeit, ob eine Wirkung durch eine bestimmte Teilhabeleistung und nur durch sie zustande gekommen ist, aufgrund der Individualität und Pluralität der Lebensumstände eines jeden Hilfeberechtigten sowie Komplexität von Hilfeprozessen mit mehreren Beteiligten kontrovers diskutiert.
Angesichts weitgehend fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse und etablierter Methoden wird es Aufgabe der Teilhabeforschung sein, Wirkfaktoren zu untersuchen, die zu gelingenden Hilfeprozessen beitragen und zu fragen, wie sich die tatsächlich erreichte Teilhabe einer leistungsberechtigten Person erfassen lässt. Eine positive Wirkung von im Rahmen der Eingliederungshilfe erbrachten Leistungen kann – wie bisher – im Sinne einer Annäherung angenommen werden, wenn individuelle, also auf die konkrete, leistungsberechtigte Person bezogene Teilhabeziele im Sinne von mehr Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe erreicht werden und die Leistungen auf fachlicher Grundlage bedarfsorientiert erbracht werden. Aus Sicht des Deutschen Vereins ist die Wirkungskontrolle daher im Wesentlichen derzeit nur anhand der individuellen Erreichung von Teilhabezielen möglich.
Eine gesicherte Feststellung, ob eine Wirkung, insbesondere im Hinblick auf die Erreichung von Teilhabezielen aufgrund einer bestimmten Intervention (Leistung) eingetreten ist oder nicht und damit eine Kausalität besteht, ist nur eingeschränkt und nur unter erheblichem Aufwand möglich. Daher können Wirkannahmen zur Überwindung dieses fundamentalen Evaluationsproblems hilfreich sein. Leistungsträger, Leistungserbringer und Leistungsberechtigte nehmen danach eine Wirkung hin zu einem angestrebten Ziel begründet an, das im Rahmen des Gesamtplanverfahrens vereinbart und im Gesamtplan festgehalten wird. Wirkannahmen beschreiben, warum es plausibel erscheint, dass bestimmte Unterstützungsmaßnahmen oder Vorgehensweisen geeignet sind, die individuellen Ziele der/des Leistungsberechtigten sowie die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen.
Wirkannahmen müssen fundiert beschrieben werden und im Hinblick auf ihre Plausibilität immer wieder hinterfragt und untersucht werden. Die Formulierung von Wirkannahmen ist neben der Qualität der Bedarfserhebung, der Zielformulierung sowie der an den Zielen und tatsächlichen Tätigkeiten orientierten Leistungsdokumentation wesentlich für Aussagen über die Wirkung. Die Herausforderungen in der Praxis liegen vor allem (wenn auch nicht abschließend) in der Zielformulierung und im Nachweis der Wirkung im Sinne einer Kausalität.
Wirksamkeit
Wirksamkeit beschreibt dem Wortsinn nach in einem qualitativen Kontext, dass durch eine Intervention (Leistung) eine Wirkung eintreten kann. Hierfür wäre auf einer allgemeinen Ebene ein Kausalzusammenhang zwischen einer Leistung und einer Veränderung bezogen auf die formulierten Ziele festzustellen, was – wie oben beschrieben – eine große Herausforderung darstellt.
Wirkannahmen können jedoch helfen, Verbindungen zwischen einer Leistung und den formulierten Zielen herzustellen. Wirkannahmen sollten auf Basis eines gemeinsamen Verständnisses von wirksamer Leistungserbringung und im Konsens in der Leistungsvereinbarung abgestimmt sein. Die Leistungserbringung sollte
den aktuellen fachlichen Maßstäben genügen,
auf fachlich begründbaren Wirkannahmen beruhen,
auf fachlich basierten Wirkungszusammenhängen geplant sein (Ziel- und Maßnahmenplanung),
kompetent erbracht werden,
zum Erreichen der Ziele dienlich sein.
Mit der Einführung des Begriffs der Wirksamkeit im SGB IX ist die Absicht jedoch zu erkennen, die Leistungserbringung stärker an der von den Leistungsberechtigten erreichten Teilhabe (§§ 1, 90 SGB IX) zu orientieren.
Für die Beschreibung und den Nachweis der Wirksamkeit ist neben den Strukturen und Prozessen der Fokus daher auch auf die Ergebnisse zu richten. Die Wirksamkeit bezieht sich insoweit darauf, dass die Leistungen in ihrer Umsetzung im Allgemeinen geeignet sind, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen. Hierfür braucht es Kriterien zur Beurteilung der Eignung einer Leistung, die entwickelt werden müssen. Aus Sicht des Deutschen Vereins kann es hilfreich sein, Strukturen und Prozesse zu identifizieren und zu beschreiben, die die Erreichung von individuellen Teilhabezielen im Einzelfall – im Sinne von Gelingensbedingungen – positiv beeinflussen können. Auch die Ergebnisqualität sollte abgebildet werden. Sinnvoll erscheint es bereits, mit dem einzureichenden Konzept zur Leistungsbeschreibung als Grundlage für die Leistungsvereinbarung nach § 125 SGB IX darzustellen, wieso bestimmte Maßnahmen für wirksam gehalten und für die geplant zu unterstützende Zielgruppe in Erwägung gezogen werden, um die Teilhabeziele der Leistungsberechtigten und die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 SGB IX zu erreichen. Auch wenn ein Ergebnis Sozialer Arbeit nur erreicht werden kann, wenn die verschiedenen Bedingungen und auch der Adressat der Sozialen Arbeit in geeigneter und nicht immer zu beeinflussender Weise zusammenwirken.
Wirkungskontrolle und Überprüfung der Qualität einschließlich Wirksamkeit von Leistungen der Eingliederungshilfe
Wirkungskontrolle auf individueller Ebene
Die Auseinandersetzung mit der Wirkung von Leistungen der Eingliederungshilfe im Einzelfall erfolgt im Rahmen der Gesamtplanung.
Die Wirkungskontrolle von Leistungen in der Eingliederungshilfe bezieht sich auf die individuellen Teilhabeziele der leistungsberechtigten Person, vgl. § 4 Abs. 1 SGB IX, und ist aus Sicht des Deutschen Vereins derzeit nur anhand der Prüfung der individuellen Zielerreichung der Menschen mit Behinderungen möglich.
Für die festzulegenden Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle bieten die Bedarfsermittlungsinstrumente, in denen individuelle Teilhabeziele unter Anwendung des bio-psycho-sozialen Modells auf Basis der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) als Ausgangspunkt für die Feststellung der Leistungen zur Ermöglichung von Teilhabe formuliert und vereinbart werden, eine mögliche und geeignete Grundlage.
Für die Erhebung von Wirkungen von Leistungen der Eingliederungshilfe müssen individuelle Wünsche und daraus abgeleitete Zielsetzungen in allen Lebensbereichen entsprechend der ICF ins Auge gefasst werden, und auch Wirkungskriterien müssen sich auf alle diese Aspekte der Teilhabe beziehen. Die Überprüfung der Wirkung von Teilhabeleistungen kann sich auch auf individuelle Teilhabeziele beziehen, die sich nicht in quantifizierbaren Indikatoren darstellen lassen wie z.B. Freundschaften pflegen, Dabei-Sein oder respektiert werden, daher sollte keine Verengung der Kriterien und Indikatoren für konkrete Wirkungen von Teilhabeleistungen auf leicht messbare-organisatorische Aspekte oder Kompetenzveränderungen erfolgen. Sie sollte Aspekte der Teilhabe in allen Lebensbereichen (entsprechend der ICF) und eines „guten Lebens“ im Sinne des capability approach umfassen. Auch die Erhaltung von bereits erreichter Teilhabe und/oder die Verzögerung der Verschlechterung eines Zustandes kann ein Ziel sein.
Der Deutsche Verein weist darauf hin, dass Teilhabe von subjektiv wahrgenommenen Bedingungen und Qualitäten abhängt, die nicht von allen Leistungsberechtigten kommuniziert werden können. nach Art und Grad der Behinderung bedarf es einer guten und umfassenden Beratung und Unterstützung bei der Formulierung von individuellen Teilhabezielen. Teilhabeziele sollten in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess zwischen den Beteiligten festgelegt und konsentiert werden.
Ob die Ziele erreicht wurden, kann im Rahmen der erneuten Bedarfsermittlung bzw. Überprüfung und Fortschreibung des Gesamt- bzw. Teilhabeplans geprüft werden. Wurden die angestrebten Ziele nicht erreicht, sollte geprüft werden, was die Ursachen dafür sein können und welche Folgerungen für die Fortschreibung des Gesamtplans daraus zu ziehen sind. Neben der Feststellung der Wirkung im Sinne einer individuellen Zielerreichung sind auch subjektive Faktoren, insbesondere die Zufriedenheit der leistungsberechtigten Person und auch die unterschiedlichen Einflussfaktoren, die im Verlauf der Leistungserbringung einwirken können (z.B. Umgebung und soziales Umfeld, Interaktion mit anderen Menschen) einschließlich der personenbezogenen Kontextfaktoren gemäß der ICF zu berücksichtigen.
Durch die Wirkungserfassung mit geeigneten Instrumenten im Rahmen der Überprüfung des Gesamtplans können Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung von Teilhabeleistungen gezogen werden, um diese personenzentriert an der konkreten Person und entsprechend ihrer Bedürfnisse nach selbstbestimmter Teilhabe auszurichten und weiterzuentwickeln.
Überprüfung der Qualität einschließlich der Wirksamkeit auf institutioneller/vertraglicher Ebene
a) Allgemeines zu Qualitätsprüfungen
Mit § 128 SGB IX wurde den Leistungsträgern ein gesetzliches Prüfrecht zur Feststellung und Bewertung der Wirtschaftlichkeit und der vereinbarten Qualität aus besonderem Anlass eingeräumt. Danach prüft der Träger der Eingliederungshilfe Inhalt, Umfang, Wirtschaftlichkeit, Qualität und Wirksamkeit der Leistungserbringung anlassbezogen oder, soweit Landesrecht dies zulässt, auch anlassunabhängig (vgl. § 128 Abs. 1 und 2 SGB IX).
Die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung wird allgemein durch die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen, die sich auf die Erfüllung festgelegter oder vorausgesetzter Erfordernisse beziehen, bestimmt. Um die Qualität einer in der Eingliederungshilfe erfolgten Leistung greifbar zu machen, lassen sich Qualitätsmerkmale in drei Dimensionen (Qualitätsmodell nach Donabedian), insbesondere der Strukturqualität, der Prozessqualität und der Ergebnisqualität ableiten. Bezogen auf die Eingliederungshilfe bemisst sich die Qualität der Leistungserbringung insoweit am Grad der Übereinstimmung zwischen den in den Landesrahmenverträgen und den Leistungsvereinbarungen nach § 125 SGB IX formulierten Qualitätsstandards und deren tatsächlicher Umsetzung.
Die Qualitätsprüfung dient der Feststellung, ob die Leistungserbringung mit den vertraglichen und/oder gesetzlichen Bestimmungen nach dem SGB IX und/oder den hierzu ergangenen Ausführungsgesetzen oder Rechtsverordnungen vereinbar ist. In der Prüfung liegt der Fokus insbesondere darauf, ob die vereinbarte Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität eingehalten wurde. Darüber hinaus können Prüfungen die Möglichkeit und den Anlass bieten, Strukturen und Prozesse zu überdenken mit dem Ziel Leistungen personenzentriert und im Hinblick auf die Ergebnisqualität stetig weiterzuentwickeln. Das Ziel der Prüfung muss sich daher nicht nur auf die Einhaltung der vereinbarten Qualität beschränken, sondern kann auch einen Anstoß für die weitere Qualitätsentwicklung beinhalten, d.h. die Fortentwicklung qualitätsförderlicher Handlungsweisen, sofern Mängel im Rahmen einer Prüfung festgestellt wurden. Dabei sollten Ursachen, d.h. Probleme in den Prozessen und der Struktur bzw. der diesem Handeln zugrundeliegenden fachlichen Methoden und Konzepte, untersucht werden.
b) Qualitätsprüfung einschließlich Wirksamkeit
Grundlagen der Prüfinhalte bilden die Merkmale aus den Qualitätsdimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in den Landesrahmenverträgen, den Leistungsbeschreibungen sowie den konkreten, mit den Leistungserbringern abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen.
Für die Ermittlung der Wirksamkeit im Rahmen der Qualitätsprüfung bietet die Betrachtung der Strukturen und Prozesse in Diensten und Einrichtungen, die die Erreichung von individuellen Teilhabezielen im Einzelfall positiv beeinflussen können, einen Anhaltspunkt. Ob die vorhandenen Strukturen und Prozesse in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Erreichung von Teilhabezielen im Einzelfall zu ermöglichen, muss bei der Betrachtung der Prozess- und Strukturqualität beurteilt werden. Die Qualitätsprüfung beschränkt sich nicht allein auf die Struktur- und Prozessqualität, da deren Geeignetheit alleine nicht ausreicht, um Aussagen zum tatsächlichen Vorhandensein und zur Ausprägung von Wirksamkeit zu treffen. Auch die Ergebnisqualität sollte abgebildet und mittels Wirkannahmen mit den Maßnahmen verknüpft werden. Inwieweit die Überprüfung der Zielerreichung im Rahmen der Wirkungskontrolle, die sich auf den Einzelfall bezieht, in die Beurteilung der Wirksamkeit einfließen kann, bedarf weiterer Forschung und sollte daher in enger Kooperation mit der Wissenschaft erfolgen.
Der Qualitätsbeurteilung aus Sicht der Leistungsberechtigten ist ein besonderes Gewicht beizumessen, wenn die mit dem BTHG intendierte Personenzentrierung erreicht werden soll. Hierfür gibt es bereits Ansätze und Verfahren. Dies schließt die Berücksichtigung der subjektiven Zufriedenheit der Leistungsberechtigten ein. Allerdings kann die subjektive Zufriedenheit auch ein schwer messbares Kriterium darstellen, das durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden kann (z.B. zu ambitioniert oder zu wenig anspruchsvoll vereinbarte Ziele, gesundheitliche Einbrüche, unvorhergesehene Wechsel der betreuenden Person etc.). Die Steigerung von subjektiver Zufriedenheit kann daher kein genereller Maßstab sein, sondern sollte sehr individuell genau betrachtet werden.
c) Durchführung von Qualitätsprüfungen
Die Qualitätsprüfung bildet eine Einheit aus Prüfung, Beratung und Empfehlungen von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung und dient damit der Weiterentwicklung der Leistungserbringung.
Dem Prüfungsgeschehen sollte ein beratungsorientierter Prüfansatz zugrunde gelegt werden, der seinen Ausdruck in gemeinsamen und beratenden Fachgesprächen der Leistungsträger und Leistungserbringer finden kann, mit dem Ziel, Verbesserungen umzusetzen, festgestellte Pflichtverletzungen zu beheben oder möglichen Pflichtverletzungen vorzubeugen. Die Überprüfung der Qualität einschließlich der Wirksamkeit von Leistungen sollte in einem dialogischen und diskursiven Prozess unter Beteiligung des Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe erfolgen. Dabei ist auf einen niedrigschwelligen und barrierefreien Zugang zu achten.
Die Durchführung von Prüfungen einschließlich der Vor- und Nachbereitung braucht entsprechende personelle und zeitliche Ressourcen, sowohl bei den Trägern der Eingliederungshilfe als auch bei den Leistungserbringern, die entsprechend ausreichend zur Verfügung stehen müssen. Gleichwohl sollte die Durchführung von Prüfungen nicht zu einer neuen Ausgabendynamik der Eingliederungshilfe führen. Deswegen spricht sich der Deutsche Verein dafür aus, Prüfungen effizient und ressourcenschonend durchzuführen.
Neben den Prüfungen nach § 128 SGB IX durch die Träger der Eingliederungshilfe finden Prüfungen auch durch andere Dienste statt. Nach § 128 Abs. 1 Satz 3 SGB IX müssen die Träger der Eingliederungshilfe mit den Trägern der Sozialhilfe, mit den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden sowie mit dem Medizinischen Dienst gemäß § 278 SGB V zur Vermeidung von Doppelprüfungen zusammenarbeiten.
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